Ein Gastbeitrag von Marten Pukrop.
Der Digitalpakt ist richtig, aber es hätte ihn schon vor mehr als 10 Jahren geben müssen. Es ist notwendig, dass wir bereits die nächsten Schritte für die digitale Transformation der schulischen Bildung starten.
Wer unter der Digitalisierung der Bildung versteht, dass er einen eLearningkurs erstellt, der aber nur aus Präsenzveranstaltungen OnDemand-Videos macht oder Arbeitsblätter als PDF statt als Papier verteilt, hat das Thema verfehlt. Dadurch wird Bildung nicht besser, höchstens billiger.
Wenn wir unsere Bildung nicht nur digitalisieren, sondern digital transformieren und die Vorteile genießen wollen, wie es in anderen Bereichen schon längst der Fall ist, dann müssen wir Bildung an sich neu denken. Die aktuellen Ansätze der Digitalisierung in der schulischen Bildung sind ein Stückwerk aus sehr vielen veralteten Methoden und Systemen und ein paar kleinen und neuen Ideen, die aber nicht in das alte Konstrukt passen.
Der erfolgreiche Einsatz von IT bedeutet eben nicht nur ein paar Veränderungen an kleinen Stellen, sondern eine Evolution unseres bestehenden Systems. Es ist Zeit, dass wir den Wandel akzeptieren und gestalten, statt ihn zu blockieren. Dabei sind die folgenden vier Punkte zentral:
Daten sind das Gold unseres Jahrhunderts, aber im Bildungsbereich werden sie nicht genutzt. Wir müssen die Daten, die anfallen, erfassen, bundesweit zusammenführen und dafür nutzen, dass jeder Schüler das bestmögliche Bildungserlebnis erfährt. Mit Hilfe von Learning Analytics können wir bei Schülern Muster erkennen, die für Lehrer nicht sichtbar sind, weil Big Data nicht nur die Erfahrung von den 500 Schülern einer Schule analysieren, sondern Muster in den Datensätzen von 10 Mio. Schülern finden kann.
Arbeitsteilung ist eine der wichtigsten Errungenschaften einer modernen Gesellschaft, weil sie es ermöglicht auch in kleinen Themen sehr gut zu werden. Die klassische Schule hat 50+ Lehrer, 2 Hausmeister, 2 Sozialarbeiter und 2 Verwaltungskräfte. Es ist nicht verwunderlich, dass hier keiner Daten zu optimalem Lernen analysiert, sich um die die Wartung von Hardware kümmert oder IT Security sicherstellt. Wir müssen zukünftig neue Jobprofile erschaffen und die Aufgabenteilung neu denken.
Wer sich jetzt denkt, dass sich aber nicht jede Schule einen eigenen Datenanalysten leisten kann, liegt richtig, denkt aber zu kurz. Die Idee, schulische Bildung in eigenständigen, voneinander abgeschnittenen Schulen zu organisieren, die nur das Ministerium gemein haben, kommt aus einer Zeit, in der Zusammenarbeit an den physischen Ort gebunden war. Kommuniziert wurde per Brief, die Mobilität war von Pferden und Dampflokomotiven abhängig. In anderen Branchen arbeitet man heute selbstverständlich mit Kollegen rund um den Globus zusammen. Wir müssen aufhören das Schulgebäude auch als organisatorische Einheit anzusehen. Lehrende sollen gemeinsam Inhalte erschaffen, Data Scientists dabei helfen mit Algorithmen für jeden Schüler den individuell besten Lernweg zu erschaffen und Verwaltungskräfte es ermöglichen, dass man nicht in Papierbergen untergeht. In einer Organisationsstruktur mit vielen kleinen Jobprofilen ist es auch nicht schlimm, wenn einzelne Jobprofile sich verändern, weil wir zukünftig mehr auf Automatisierung setzen müssen, denn zu tun gibt es genug für eine gute Bildung.
Und zusätzlich müssen wir natürlich sicherstellen, dass digitales Lernen nicht bedeutet alleine zu lernen. Lernen hat eine enorm wichtige soziale Komponente. Soziale Interaktion soll durch digitale Komponenten im Bildungssystem nicht verhindert, sondern angeregt werden. Dieser Weg kann die Schüler über die Grenzen von Fächer, Klassenräumen, Schulgebäuden und sogar Länder zusammenbringen.